Tag 13141
332. Tag im Heiligem Jahr der Gerechtigkeit
Primatenverlag, Lunatic City 5777
Eine schlichte Wahrheit
..... Ganz allgemein soll diese Gleichung von Beobachten und Unterscheiden verdeutlichen, daß schon mit der Wahl einer Unterscheidung Festlegungen verbunden sind. So legt die alte Tradition, den Menschen vom Tier und damit auch das Tier vom Menschen zu unterscheiden, sowohl die Humanistik als auch die Zoologie auf bestimmte Orientierungen an Perfektionsbedingungen, an Defiziten, an Positionen in der Schöpfungsordnung usw. fest. So ist die Präferenz für Unterscheidungen, in denen der Beobachter sich selbst auf der besseren Seite placieren kann, ein besonders deutliches Beispiel für ein schwer zu entlarvendes Vorurteil. Insofern ist die Wahl einer Leitunterscheidung einerseits ein Indikator für die kognitive Kapazität des Beobachters, andererseits aber oft auch eine Versuchung zu Selbstaussagen. In jedem Falle also keine harmlose Angelegenheit.
Trotz des .Abstraktionsgrades des Begriffs »Beobachten« ist das, was er bezeichnet, als eine empirische, also als eine ihrerseits beobachtbare Operation gemeint. Das hat die wichtige Konsequenz, die quer steht zu wichtigen Annahmen der Tradition: daß das Beobachten die Welt, in der beobachtet wird, verändert. Es gibt, anders gesagt, keine zwar beobachtbare, aber beobachtungsinvariante Welt. Oder mit einer nochmals anderen Formulierung: die Welt kann nicht von außen beobachtet werden, sondern nur in ihr selbst, das heißt: nur nach Maßgabe von (zum Beispiel physischen, organischen, psychischen, sozialen) Bedingungen, die sie selbst bereitstellt. .....
Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, 1990
aus: Evolution und Copie - Aus fremder Verlage Publicationen
Primatenverlag, Lunatic City 5778
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